Aus der Geschichte des Kalvarienberges St. Radegund

Älteste bekannte Ansicht des Kalvarienbergs (um 1830); Lithographie von Joseph Kuwasseg
Älteste bekannte Ansicht des Kalvarienbergs (um 1830); Lithographie von Joseph Kuwasseg

 

Nicht immer decken sich die Beschreibungen, die Chronik und Legende über die Entstehung des St. Radegunder Kalvarienberges liefern. Nach den Aufzeichnungen der Chronik ließ der Radegunder Pfarrer Adam Schmollhard bereits im Jahre 1732 zwei Kapellen auf jenem Hügel errichten, der damals noch "Trattner-Leit´n" genannt wurde. Doch schon viel früher soll von frommen Waldbrüdern, Eremiten (die "Eremitenquelle" am Fuße des Kalvarienberges erinnert daran), eine Holzkapelle errichtet worden sein.

 

Die Legende lässt all diese Kapellen unerwähnt; dort beginnt die Geschichte des Kalvarienberges erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Nach der Legende sah der Bauer Simon Pfeiffer einst bei seinem nächtlichen Nachhauseweg in die Klamm den Berg hell erleuchtet, bevölkert von Engeln, die mit den Leidenswerkzeugen Christi in der Erde zu graben schienen. Nach St. Radegund war damals gerade ein neuer Pfarrer gekommen, Franz Xaver Braun, der sich schließlich selbst von diesen Geschehnissen überzeugen konnte. Pfarrer Braun nahm dies als Zeichen, hier ein großes Werk zur Erinnerung an das Leiden und Sterben Christi zu errichten und ging sofort mit größtem Eifer an diese Sache heran. Als erste Kapelle soll Pfarrer Braun an der Stelle, an der heute die Kalvarienbergkirche steht, eine Kapelle errichtet haben, in der eine Darstellung des Gegeißelten Heilandes verehrt wurde.

Der St. Radegunder "Wies-Heiland"
Der St. Radegunder "Wies-Heiland"

 

Bei dieser Statue handelt es sich um eine Kopie jenes Gegeißelten Heilandes, der das Gnadenbild der Wieskirche in Oberbayern darstellt. Am 12.Jänner 1768 wurde die Kopie mit dem Original "anberühret", um die selbe Wundertätigkeit zu erhalten. Dieses Ereignis wurde durch eine Urkunde, die noch heute in der Kirche ausgestellt ist, bestätigt. Schon bald setzte ein reger Wallfahrerstrom ein, so dass über eine Erweiterung der Anlage nachgedacht wurde. Im Frühjahr 1770 wurde mit den Arbeiten für Wegführung und Kapellen begonnen; knapp 3 Jahre später war der Kalvarienberg im Großen und Ganzen fertig gestellt.

Der Pfarrer ließ Bergknappen aus der Obersteiermark kommen, die den serpentinenartig angelegten Weg und die Bauplätze für die Kapellen in den Fels sprengten. Maurermeister war ein gewisser Bartlme Pucher; die malerische Ausgestaltung der Kapellen übernahm der örtliche Mesner und Vorbeter Michael Pregenzer, im Volk "Maler-Michl" genannt. Die ebenfalls vom "Maler-Michl" geschnitzten Holzfiguren kamen erst nach und nach in die Kapellen; ursprünglich waren die Kreuzwegsstationen in die Kapellen gemalt. Die Kapellen waren aber ursprünglich nicht nur innen, sondern auch außen mit biblischen Szenen versehen. Die Steinfiguren stammen aus der Werkstatt des Grazer Bildhauers Philipp Jakob Straub, der auch für die Innengestaltung der Grazer Mariahilferkirche verantwortlich war.

 

 

Die Heilige Stiege
Die Heilige Stiege

Im Jahre 1772 soll Pfarrer Braun nach Rom gereist sein, wo er von der Scala Santa im Lateran so angetan gewesen sein soll, daß er auch für St. Radegund die Errichtung einer solchen Heiligen Stiege beabsichtigt. Bei der Heiligen Stiege in Rom soll es sich ja um jene Steintreppe handeln, über die Jesus zu Pilatus in dessen Palast ging. Die Mutter des Kaisers Konstatin - die Hl. Helena, die dadurch auch eine eigene Stationskapelle auf dem Kalvarienberg erhielt - soll diese Stiege, wie auch das Kreuz Christi, von Jerusalem nach Rom gebracht haben lassen. Die Legende berichtet, dass Pfarrer Braun von Papst Klemens XIV. selbst die Vollmacht zur Besichtigung der Heiligen Stätten in Jerusalem erhalten und überdies sowohl aus Rom wie auch aus Jerusalem einen reichen Reliquienschatz mitgebracht haben soll. Diese Reliquien, darunter auch Kreuzpartikeln, wurden in die neu errichtete Heilige Stiege eingebettet, wo sie sich bis heute befinden.

 

Der Kalvarienberg von St. Radegund in den 1950er Jahren
Der Kalvarienberg von St. Radegund in den 1950er Jahren

Ungeachtet dieser Tatsache bezweifelt die Chronik, dass eine solche Reise wirklich stattgefunden hat. Schriftliche Belege über die Reise oder die Vollmacht des Papstes finden sich heute nicht mehr; wohl jedoch der Briefwechsel Pfarrer Brauns mit seinem Bischof, in dem dieser nicht zuletzt die Herkunft der Reliquien anzweifelt. Eigentlicher Grund für diesen etwas groben Briefwechsel war aber, dass sich die Pfarrherren der Umgebung beim Bischof beschwerten, weil ihre eigenen Gotteshäuser plötzlich leer blieben. Die Gläubigen pilgerten viel lieber nach St. Radegund, schließlich wurde bald von ersten Wundern und den besonderen Fähigkeiten des Pfarrer Braun berichtet. Ohne Zweifel muss Pfarrer Braun auch eine beachtliche Geschäftstüchtigkeit nachgesagt werden; Pilger wurden mit Musik und Glockengeläute empfangen, selbst kleinere Souvenirs wurden verkauft. Schließlich ließ Pfarrer Braun nicht nur Kapellen, sondern auch ein Gasthaus zur Unterkunft der Wallfahrer errichten. Die Vorwürfe des Bischofs und seiner Kollegen wies Pfarrer Braun aber mit großer Deutlichkeit zurück, so dass er es fortan mit seinem Vorgesetzten alles andere als einfach hatte. Als Pfarrer Braun 1775 beim Bau einer an die Heiligen Stiege angeschlossenen Kirche "Zum Heiligen Kreuz" ein wenig über den Pfarrgrund hinausgebaut hatte, fand die Kirchenobrigkeit darin endlich den Grund, Pfarrer Braun seiner Dienste zu entheben. Nach dem Weggang Pfarrer Brauns begann der Kalvarienberg allmählich zu verfallen; wenig später taten die Reformen Joseph II. ein weiteres. In dieser Zeit dürften viele der von Chronisten erwähnten Votivtafeln verschwunden sein.

Die Kalvarienbergstraße 1924
Die Kalvarienbergstraße 1924

Wer versucht, den Kalvarienberg in seiner Gesamtheit zu ergründen, gerät also unweigerlich in den Zwiespalt, der sich zwischen den Berichten der frommen Legende und denen der zweiflenderen Historikern auftut. Doch wenn manche Dokumente vernichtet wurden und somit heute nicht mehr auffindbar sind, muss das noch nicht bedeuten, dass die Schilderungen nicht doch den Tatsachen entsprechen können. Erst wo das Wissen aufhört, setzt der Glaube ein - und nur der Glaube der Menschen hat den Kalvarienberg bis heute erhalten.

Der Kalvarienberg 1903
Der Kalvarienberg 1903

Doch zurück zur Geschichte: nach einigen Jahrzehnten des Stillstandes begannen sich aber doch wieder Wallfahrer am Kalvarienberg einzufinden. Nachdem das Kirchenprojekt Pfarrer Brauns nicht realisiert wurde, ließ Pfarrer Georg Prem im Jahre 1802 an Stelle der ersten Kapelle eine "Kirche zum gegeißelten Heiland" errichten. Auch den nachfolgenden Pfarrherren war der Kalvarienberg durchaus ein Anliegen; Pfarrer Haas ließ um 1830 den Kalvarienberg erstmals renovieren und kaufte auch eine Reihe neuer Figuren für die Kalvarienbergkirche, die Heilige Stiege und für die Kapellen, die vom Pischelsdorfer Bildhauer Matthias Rath gefertigt wurden.

Durch die Spuren der Zeit, aber auch durch frühere, immer wieder notwendig gewordenen Renovierungsarbeiten verschwand viel von den ursprünglichen Arbeiten; vor allem die Außenfresken des "Maler-Michls" sind nur noch in Fragmenten erhalten.

Doch über die Jahrhunderte haben sich immer wieder Idealisten gefunden, denen die Erhaltung dieses Glaubensdenkmales ein persönliches Anliegen war. Seit 1972 übernimmt der "Verein zur Rettung und Erhaltung des Kalvarienberges St. Radegund" diese Aufgabe. Unermüdlich sind viele ehrenamtliche Helfer unterwegs - es werden Kapellen und Gebäude trockengelegt, Schindeldeckungen und Holzzäune erneuert, Figuren und Malereien restauriert, die Anlage gereinigt, gepflegt, die Wege ausgemäht, usw.

 

Damit dieses Glaubensdenkmal auch für die Zukunft erhalten bleiben kann, ist der Verein natürlich auf Spenden angewiesen. Die Opferstöcke in der Kalvarienbergkirche und bei der Heiligen Stiege kommen der Erhaltung des Kalvarienberges zugute; ebenso gibt es die Möglichkeit, Spenden auf das Konto (IBAN:) AT47 3825 2000 0500 6739 bei der Raiffeisenbank Nestelbach-Eggersdorf (BIC RZSTAT2G252) einzuzahlen.

 

Wir danken für Ihre Unterstützung!

 

alljährliche Veranstaltungen:

 

  • jeden Sonntag in der Fastenzeit um 14.30 Uhr Kreuzwegandacht in der Kalvarienbergkirche
  • Palmsonntag, 8.30 Uhr Segnung der Palmzweige vor der Heiligen Stiege mit anschließender Prozession zur Pfarrkirche
  • Karsamstag von 8 bis 16 Uhr durchgehend Anbetung in der Kalvarienbergkirche, um 19 Uhr Auferstehungsprozession zur Pfarrkirche
  • Bitt-Tage (Montag, Dienstag, Mittwoch vor Christi Himmelfahrt) jeweils um 19.30 Uhr Prozession von der Pfarrkirche zur Kalvarienbergkirche
  • am Sonntag nach Fronleichnam um 8.30 Uhr "Umgang-Sonntag“ mit Prozession von der Pfarrkirche zum Kalvarienberg
  • am näher zum 26.7. (Hl. Anna) liegende Sonntag im Juli, 8.30 Uhr, "Kalvarienbergsonntag" am Kalvarienberg
  • am Vorabend (letzter od. vorletzter Samstag im Juli) vom "Kalvarienberg-Sonntag", 20 Uhr, „Lichterprozession“ am Kalvarienberg
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